Vor einigen Jahren war ich zu einem Geschäftsessen ins Ikarus im Hangar-7 eingeladen, sicherlich eines der besten Restaurants Österreichs. Während wir so das Menü studieren, wurde uns ein Birnenmost als Aperitif angeboten. Mein Mostbaron-Herz hüpfte voller Entzücken. Allerdings kam jener nicht aus dem Mostviertel, sondern aus der Normandie. Moment mal! Gab es hier etwa ein Manko aus dem Geographie-Unterricht seitens des Sommeliers? Birnenmost kann ja nur aus dem Mostviertel kommen! So sehr ich mich auch mit voller Inbrunst in das verbale Gefecht einwarf, der Sommelier wollte nicht um die Burg von seiner Meinung abrücken, der beste Birnenmost käme aus der Normandie.
Meine Kollegen am Tisch waren bass erstaunt über meine Energie, die ich in die Diskussion warf. Keine Ahnung, was sie vor dem Gespräch gedachten zu trinken, nachher war allen klar, es musste Birnenmost sein. Na, immerhin was! Nach dem Verkosten des Poiré granit von Eric Bordelet war ich jener, der voller Staunen den Mund nicht mehr zu bekam. Es war mit Sicherheit das Beste, was ich jemals zum Thema Birne getrunken hatte.
Johannes Scheiblauer und Mostbaron Toni Distelberger bei der Verkostung der Spitzenprodukte.
Die Birne muss uns gehören
Na warte, meine Mostbaron-Kollegen werden sich was anhören können, sobald ich nach Hause kam. "Burschen, so geht das nicht! Die Birne muss uns gehören!" Und tatsächlich organisierte die Moststrasse ein Jahr später dann eine Exkursion in die Normandie, um dem Cidre-Guru über die Schultern zu schauen. Die letzten Geheimnisse wollte er aber nicht und nicht verraten, der alte Fuchs! Mittlerweile gibt es so etwas wie eine Freundschaft unter Gleichgesinnten, war Eric Bordelet ja einer der Referenten beim Streuobstkongress 2019 im Stift Seitenstetten.
Von den Mostbaronen wurden die Gourmetmoste als Speisenbegleiter entwickelt, die nach der klassischen Weißweinmethode trocken ausgebaut wurden. Im Bereich der stillen Moste stellen sie meines Erachtens einen völlig neuen Maßstab dar und sind, auch international, unerreicht.
Gilt das auch für die moussierenden Moste, also jener die zwei Mal ausgebaut wurden, am besten nach der klassischen Champagnermethode? Da sind wir uns nicht mehr so sicher. Um das heraus zu finden, haben wir uns die Spitzenprodukte der beiden besten Produzenten ins Haus geholt. Vom bereits zitierten Eric Bordelet und von Jörg Geiger, der in Deutschland mit seiner Champagner-Bratbirne für Furore gesorgt hat. Mit mir verkostet hat Toni Distelberger, einer unserer Vorzeigeproduzenten unter den Mostbaronen.
Die Verkostung der besten Cider der Welt.
Hier unsere Verkostungsnotizen, in der Reihe der Verkostung:
Birnenschaumwein aus der Champagner-Bratbirne, trocken
Jörg Geiger, 8,5% Alkohol
Super Mousse (reicher Schaum), in der Nase Heu, wenig fruchtig. Am Gaumen fällt der reichhaltige, vielschichtige Gerbstoff mit grünen Noten auf, der lange hält. "Kommt trocken und frisch daher". Schön zu trinken. Zweite Gärung sicher vollständig zu Ende geführt.
Birnenschaumwein brut
Toni Distelberger, Birnencuvée, 7,5% Alkohol
Etwas fruchtiger, nicht ganz so trocken wie die Champagner-Bratbirne (selbe Leistungsklasse). Am Gaumen ist der Auftritt schmeichelnd mit einer leichten Süße. Im Abgang reife Birnen. Kräftige Birne in der Nase, regionstypisch.
Leon, Poiré artisanal
Jörg Geiger, Birnen secco, 5,5% Alkohol
Mousse nicht so fein wie bei der Champagner-Bratbirne, fruchtiger in der Nase (Primärfrucht, vermutlich keine zweite Gärung), nicht so trocken und weniger herb, also nicht ganz so gerbstoffreich. Lieblich im Geschmack. Näher an Frizzante (= Most mit versetzter Kohlensäure => weniger Kohlensäure, weniger Druck, weniger sekundäre oder tertiäre Noten, saftiger).
Poiré authentique
Eric Bordelet, 4,5% Alkohol
Gröbere Mousse. feinfruchtig in der Nase (Heunoten), überraschend süß, unterstützt die Anmutung einer reifen Frucht. Erinnert an den Secco von Geiger, vermutlich ähnlich produziert (Gärung gestoppt oder trocken vergoren und Saft hinzugefügt). Schöner Gerbstoff, der ihn am Gaumen frisch und lang macht. Man spürt wenig Säure.
Poiré granit, Grand Cru 2017
Eric Bordelet, 5,0% Alkohol
Der vermeintliche König des Birnenschaumweins. Feine Mousse, etwas trockener, eleganter, vielschichtiger. Hohe Kunst. Kräftige Farbe, viele fruchtige Nuancen. Zarter feiner Gerbstoff, ohne grüne Noten, sehr gut eingebunden. Das Wechselspiel zwischen Süße und Gerbstoff bleibt lange am Gaumen haften. Wenig Säure, allerdings etwas mehr als beim Authentique.
Was ist also das Fazit der Verkostung? Spätestens seit der Entwicklung der Gourmetmoste sind die Mostbarone endgültig in der Champions League der Cider-, Cidre-, Perry- und Most-Produzenten angekommen.
Gewinnen wir sie schon? Bei den moussierenden Produkten vielleicht noch nicht ganz, aber wir werden nicht locker lassen, die einzig noch verbliebene Konkurrenz endlich in den Schatten zu stellen! Im Bereich der stillen Moste ist es den Mostbaronen und ihren Kollegen aus dem Mostviertel sicherlich schon gelungen.
Fotocredits:
Foto beim Streuobstkongress: v.l.n.r.: Eric Bordelet - Ciderpabst und Pomologe aus Frankreich, Christian Haberhauer, Mostbaron Hans "Hansbauer" Hiebl, Jürgen Schmücking - Journalist u. Fotograf, Claude Jolicoeur - Ciderguro aus Kanada: Mostropolis
Birnbaumblüte: Dominik Stixenberger
alle anderen Fotos: Schlosshotel Eisenstrasse
Johannes Scheiblauer, seit 20 Jahren Hotelier, studierte in Wien, London und New York und liebt das Mostviertel dafür umso mehr. Er ist verheiratet und Vater von drei erwachsenen Kindern. Er versucht einigermaßen Sport zu betreiben und liest gerne, in Englisch.
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